Brückenkurs Mathematik für Studieneinstieger aller Disziplinen

von: Guido Walz, Frank Zeilfelder, Thomas Rießinger

Spektrum Akademischer Verlag, 2005

ISBN: 9783827416100 , 363 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 22,10 EUR

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Brückenkurs Mathematik für Studieneinstieger aller Disziplinen


 

2.5 Exponential- und Logarithmusfunktionen (S. 66-67)

Nehmen Sie einmal an, Sie hätten einen reichen Gönner, der Ihnen etwas Gutes tun will und folgendes Angebot macht: "Also, du kannst wählen: Entweder ich schenke dir auf der Stelle eine Million Euro oder aber ich zahle dir an jedem Tag des nächsten Monats eine gewisse Summe aus; am ersten Tag zwei Euro, am zweiten Tag vier Euro, am dritten Tag acht Euro, am vierten Tag sechzehn Euro und so weiter, also an jedem Tag den doppelten Betrag des Vortages, bis zum dreißigsten Tag des Monats."

Machen Sie jetzt bloß keinen Fehler! Lesen Sie noch ein paar Zeilen weiter, bevor Sie sich entscheiden! Im Vergleich zu dem Angebot, eine ganze Million bar auf die Tatze zu bekommen, sieht natürlich die zweite Möglichkeit auf den ersten Blick kümmerlich aus: Nach vier Tagen haben Sie insgesamt gerade mal 2 + 4 + 8 + 16 = 30 Euro in der Hand, und auch wenn Sie eine Woche warten, nennen Sie nur 2+4+8+16+32+64+128 = 254 Euro Ihr eigen.

Aber keine Angst, es wird besser! Um das zu untermauern, überlege ich jetzt erst mal in Ruhe, wie man den Auszahlungsbetrag an einem beliebigen Tag des Monats berechnen kann. Am ersten Tag sollten es 2 Euro sein, am zweiten das Doppelte, also 2 · 2 = 4, am Tag darauf wiederum das Doppelte des Vortags, also 2 · 2 · 2 = 8, tags darauf dann 2 · 2 · 2 · 2 = 16 usw. Erinnert Sie das an etwas? Genau um diese lästige Schreibweise der vielen Multiplikationspünktchen loszuwerden, wurde im ersten Kapitel die Potenzschreibweise eingeführt. Mit deren Hilfe kann ich nun ganz einfach formulieren: Die Auszahlung am n-ten Tag beträgt 2n Euro. Berechnen Sie hiermit die Auszahlung am fünfzehnten Tag, also zur Mitte des Monats, so erhalten Sie immerhin schon 215 = 32.768 Euro. Auch noch nicht sehr beeindruckend? Nun ja, dann wagen wir jetzt gleich mal den Sprung ans Monatsende: Am dreißigsten Tag erhalten Sie 

                                                    230 = 1.037.741.824 Euro,

also mehr als eine Milliarde und somit mehr als das Tausendfache der als Alternative angebotenen Million. Angesichts solcher Summen kann ich fast großzügig darauf verzichten zu erwähnen, dass Sie ja in unserem Modell an den Tagen zuvor auch schon eine ganz Menge Geld abgestaubt haben, beispielsweise am 29. Tag die Hälfte der gerade berechneten Summe, also mehr als eine halbe Milliarde Euro.

Was hier zum Tragen kommt, ist das fast unvorstellbar schnelle Anwachsen der Exponentialfunktion, in diesem Fall derjenigen zur Basis 2. Wenn Sie nun zögern, weil Sie weit und breit keine Funktion entdecken können, so liegt das wohl daran, dass ich oben die Variable mit n bezeichnet, also 2n geschrieben habe, und man n eben stets mit einer natürlichen Zahl identifiziert. In der Schreibweise f : R -> R , f(x) = 2x sieht das Ganze schon eher nach einer Funktion aus. Tatsächlich kann man hier für x jede reelle Zahl einsetzen und erhält einen vernünftigen Funktionswert.