Anne Koark - Insolvent und trotzdem erfolgreich

Anne Koark - Insolvent und trotzdem erfolgreich

von: Anne Koark

Insolvenzverlag, 2005

ISBN: 9783981095401 , 277 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 14,80 EUR

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Anne Koark - Insolvent und trotzdem erfolgreich


 

April - Der Anfang vom Ende (S. 110-111)

Dienstag, 1. April 2003

Heute ist der 1. April – in vielen Ländern der Tag der Aprilscherze - und ich bin heute richtig gespannt, was alles auf mich zukommt. In der Früh erzählt mir mein Aupairmädchen, dass in Polen alle Mädchen und Frauen mit Wasser nassgespritzt werden. Da würde man sehr viel lachen. Wie ich mir im Moment diese Gelassenheit wünschen würde. Ich bin aber heute noch in dem Sog des gestrigen Tages.

Ich bekomme von Kunden Emails, die ihr Bedauern ausdrücken. Unser Haupt-Offi ce Service Kunde möchte sich mit mir treffen. Ich merke, dass hier immer noch ein unheimliches Vertrauen herrscht, denn er möchte mit mir besprechen, was es für Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt und ob eine Möglichkeit besteht, unsere Dienstleistungen im Marketingbereich trotz Aufgabe des Offi ce Service beizubehalten. Irgendwie habe ich im Moment ein wenig Bedenken, mich hierzu zu äußern. Erstens ist es so, dass ich nicht wirklich weiß, ob die Investoren kommen oder nicht und daher eigentlich nicht zusichern kann, dass eine Weiterführung irgendwelcher Dienstleistungen überhaupt möglich ist. Zweitens habe ich ein grundsätzliches Problem, da ich mit diesem Kunden schon vertrauensvoll über drei Jahre zusammenarbeite, und ich möchte mein Wort nicht für etwas hergeben, wenn ich nicht weiß, ob das, was ich anbiete, überhaupt realisierbar ist.

Ich fühle mich total gefangen in meiner Situation. Andererseits finde ich die Reaktionen toll – der Vizepräsident und der Geschäftsführer sind voller Respekt und verstehen, dass wir wirklich ein Problem haben, dass also wenig Geld da sein muss – sonst hätten wir den Offi ce Service Vertrag nicht gekündigt. Obwohl ich traurig bin, dass ich den Offi ce Service aufgeben muss, freue ich mich zugleich, weil nun der Druck vom Quartalsende endlich wegfällt. Von all den schwierigen Momenten habe ich den letzten Tag des Quartals immer am meisten gefürchtet, weil die Offi ce Service Kunden zu diesem Zeitpunkt hätten kündigen können.

Wir haben das Geld dringend gebraucht, um die Kosten zu bestreiten. Jetzt kann ich eigentlich frei die Entscheidung der Investoren abwarten, und falls es nicht klappt, weiß ich, dass eine Insolvenz sinnvoll ist, weil das Ganze dann einfach ein natürliches Ende hat.

Ich weiß immer noch nicht, was ich dem Vermieter nun sagen soll. Bestimmt denkt meine Ansprechpartnerin beim Vermieter, dass ich mich total geändert habe. Ich habe mich überhaupt nicht gemeldet. Aber ich weiß ja gar nicht, was ich sagen soll. Soll ich sagen – vielleicht bin ich bald insolvent? Soll ich sagen – vielleicht schaffen wir es mit den Investoren? Das sind mir zu viele „Vielleichts". Außerdem steht ja noch der Gerichtstermin am 9. April an und ich weiß nicht, was sich da noch alles ergeben wird. Wie ich mir wünsche, jetzt einfach in Urlaub fahren zu können, während jemand anders hier weiter die Lösung zu meinem Problem sucht. Einerseits will ich niemanden enttäuschen. Andererseits weiß ich, dass es nicht mehr möglich ist, aus dieser Situation herauszukommen, ohne jemanden enttäuscht zu haben. Mir ist dabei überhaupt nicht wohl.

Ich denke an ein Lied, das Jürgen von der Lippe immer gesungen hat. Dieses Lied heißt: „Dann ist der Wurm drin". Das Lied bezieht sich eigentlich auf das Fußballspiel. Irgendwie weiß ich aber, dass ich mich im Stillstand befi nde – da ist wirklich der Wurm drin. Aber wie bringe ich diesen Wurm wieder raus? Wie bringe ich meinen Wirtschaftsball wieder zum Rollen? Es ist verzwickt. Bei diesem Gedanken erinnere ich mich, dass ich ein Buch schreiben wollte, bei dem ich Jürgen von der Lippe im Titel erwähne. Ich habe seiner Agentur geschrieben und immer wieder kam meine Nachricht nicht richtig an. Nach vier Monaten hatte ich eine Bitte von der Agentur, mein Anliegen schriftlich einzureichen. Ich hatte das aber schon schriftlich gemacht und irgendwann hatte ich verzweifelt aufgegeben. Das Buch würde ich immer noch gerne schreiben, aber in diesen Krisenzeiten habe ich keine Zeit, Emails zu schreiben, auf die keine Antworten kommen. Vielleicht schreibe ich das Buch, falls ich Insolvenz anmelden muss.