Gedächtnisstörungen nach Hirnschäden

von: Angelika Thöne-Otto, Hans J. Markowitsch

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2004

ISBN: 9783840916656 , 99 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 19,99 EUR

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Gedächtnisstörungen nach Hirnschäden


 

3 Neuropsychologische und neurobiologische Störungstheorien und -modelle (S. 28)

Im Grunde orientieren sich heutige Zuordnungen zur Hirn- und zur Gedächtnisebene an alten Dichotomien, u.a. an den Ansichten der sog. Lokalisationisten und der sog. Anti-Lokalisationisten. Die Lokalisationisten postulieren sehr enge Zuordnungsmöglichkeiten zwischen Hirnorten und Funktionen, während die Anti-Lokalisationisten meinen, dass das Gehirn stets in seiner Gesamtheit für die Steuerung oder Verarbeitung einer Verhaltensweise wichtig ist. Beispiel für einen Lokalisationisten ist Kleist (1934), der anhand der zytoarchitektonischen Hirnrindenkarte von Brodmann (1914) jede der von diesem definierten Hirnregionen mit einer oder mehreren Funktionen belegte. Die Gegenrichtung wird z.B. von Roy John vertreten (Bartlett & John, 1973; s.a. Markowitsch, 2002). Da Gedächtnis zu den komplexen Funktionen der Informationsverarbeitung gehört und nicht isoliert (d.h. ohne Einbeziehen von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Emotion, etc.) betrachtbar ist, geht man heute meist von hierarchisch gliederbaren Netzwerken aus, die für bestimmte Komponenten der langfristigen Informationsverarbeitung essenziell sind. Diese werden im Folgenden gegliedert nach Gedächtnissystemen und den zeitlichen Abläufen zwischen Informationseinspeicherung, -abspeicherung und -abruf dargestellt, wobei wir der Gliederung von Abbildung 6 folgen, die eine orientierende Gesamtübersicht über wesentliche Verarbeitungswege auf Hirnebene gibt. Betont werden muss allerdings, dass wir insgesamt noch relativ wenig gesicherte Erkenntnisse zu den neuralen Verarbeitungswegen der verschiedenen Gedächtnissysteme haben.

3.1 Prozedurales Gedächtnis

Da prozedurale Information vor allem motorische Fertigkeiten involviert, daneben aber mit Gedächtnis zu tun hat, sind vor allem „höhere" motorische Regionen als diejenigen zu nennen, die hier relevant sind. Dies sind zum einen Teile der Basalganglien – primär das Neostriatum – und prämotorische Cortexbereiche. Inwieweit auch das Kleinhirn aufzulisten ist, ist umstritten. Während eine Mehrzahl von Arbeiten (sowohl neuropsychologische als auch mittels funktioneller Bildgebung an Nichthirngeschädigten durchgeführte) dafür spricht (Markowitsch, 2002), meinen Ackermann und Daum (1995), dass bei Patienten mit Kleinhirnschäden und prozeduralen Gedächtnisstörungen diese eher auf umliegende Ponsschäden zurückzuführen sind. Weitgehend einig ist man sich dagegen, dass von der Einspeicherung bis zum Abruf grundsätzlich die gleichen Hirnstrukturen engagiert sind.