Alkohol im Unternehmen

von: Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchs

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2004

ISBN: 9783844418859 , 123 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 21,99 EUR

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Alkohol im Unternehmen


 

5 Aktive Gestaltung der Zukunft (S. 98-99)

Die Chancen entdecken
Wenngleich in der betrieblichen Alkohol- und Suchtprävention viele Fortschritte und gute Erfolge zu verzeichnen sind, müssen sich die Programme heute mehr denn je legitimieren und dem schnellen Wandel anpassen. Suchtpräventionsprogramme sind, vor allem durch ihre hohe Standardisierung, nach unserem Eindruck oft etwas träge. In Seminaren wird mit Jahrzehnte alten und fachlich überholten Modellen gearbeitet. Betriebsvereinbarungen bewegen sich juristisch oft auf dünnem Eis, manche sind überreguliert – bis dahin dass therapeutische Maßnahmen ohne Ansehen des Falls und der Person festgelegt werden. Oder sie beinhalten statt einer Definition der Ressourcen und Investitionen lediglich Stufenpläne, die nicht viel mehr als die juristisch notwendigen Schritte der Abfolge von Abmahnungens- und Kündigungsgesprächen bei Fehlverhalten beschreiben. Vorgesetzte, die unter immensem Zeitdruck stehen, werden – für sie vollkommen unverständlich – mit Dreitages-Seminaren zum Thema Sucht bestückt, wobei oft mehr Energie in die Beschreibung der Krankheitsbilder als in die Führungsanforderungen und Handlungshilfen investiert wird.

Das schlichte „Helfen", wenn jemand in Schwierigkeiten ist, ist gleichzeitig dem Zeitgeist zum Opfer gefallen. Mancher Sozialberater schämt sich geradezu, wenn ihn jemand als Helfer statt als Berater anspricht oder gar das altmodische Wort Fürsorge in den Mund nimmt – so als gäbe es keine Menschen, die Hilfe brauchen. Der schnelle Wandel bringt traditionelle Programme ins Wanken: Betriebe für Langzeitziele zu gewinnen, wird immer schwieriger. Wo traditionelle Vorgesetztenstrukturen verschwinden, funktionieren zugleich viele bewährte Ansatzpunkte der traditionellen Suchtprogramme nicht mehr. Vor allem die Stufenpläne, die klar auf der Wirkung von Hierarchien und Positionsmacht aufbauen, verlieren ihre Substanz. Dies bietet aber auch Chancen, sich von überholten Konzepten zu lösen und fordert zur Innovation heraus. Nach unserer Erfahrung ist es zunehmend geboten, sich von Programmen „von der Stange" zu verabschieden. Es ist wirksamer, sie direkt auf die Kultur der jeweiligen Organisation zuzuschneiden. Betriebliche Suchtprävention darf der Organisation nicht hinterherhinken – ein „Eigenleben" der Programme – und dies schließt Sozialberatungen und Suchtkrankenhelfer ein – ist nicht sinnvoll. Eine Integration gelingt leichter, wenn Visionen und Kernwerte der Organisation für das Arbeitsfeld Suchtprävention übersetzt werden.

Das heißt nicht, dass betriebliche Sozialberater nun zu Personalenwicklern mutieren müssen und sich vom Thema Sucht verabschieden sollen – diesen Trend gibt es und er ist bedenklich. Auch ist es nicht wünschenswert, betrieblichen Sozialeinrichtungen abzufordern, die Hälfte ihrer Energie in den Nachweis ihrer Existenzberechtigung zu investieren. Andererseits müssen die Akteure in der betrieblichen Suchtprävention aber im Rahmen der Qualitätssicherung selbst ein Interesse daran entwickeln, ihren Kunden gegenüber ihre Arbeit und ihr Angebot transparent zu halten.

Ressourcen sparen

Das größte aktuelle Problem der Programme sind knappe Ressourcen. Viele Betriebe sind nicht mehr bereit und in der Lage, zu dem relativ speziellen Thema Suchtprävention große Schulungs-Serien durchzuführen. Klein- und Mittelbetriebe haben ohnehin selten systematisch geschult. Auf der anderen Seite wird oft nicht „intelligent" gespart. Ein guter betrieblicher Kooperationsverbund für die Einzelfallhilfe senkt nachweisbar Kosten allein im Fehlzeitenbereich so stark, dass über wenige Einzelfälle, die schneller in Behandlung gehen, eine Stelle finanziert werden kann (Fuchs & Petschler, 1998).