Das Reiss Profile - Die 16 Lebensmotive. Welche Werte und Bedürfnisse unserem Verhalten zugrunde liegen

von: Steven Reiss

Gabal Verlag, 2010

ISBN: 9783862001330 , 312 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 25,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Das Reiss Profile - Die 16 Lebensmotive. Welche Werte und Bedürfnisse unserem Verhalten zugrunde liegen


 

Kapitel 6 Sechs Gründe für zu schlechte Leistungen bei Jugendlichen (S. 146-148)

Wenn Schülerinnen und Schüler in der weiterführenden Schule zu schlechte Leistungen zeigen, fragen sich die Eltern, was falsch gelaufen ist. Sie suchen nach Erklärungen, aber manchmal gibt es keinen offensichtlichen Grund. Das Kind war vielleicht ein durchschnittlicher oder sogar ein vorbildlicher Schüler, als es unerwarteterweise schlechte Noten mit nach Haus brachte, aufhörte, die Hausaufgaben zu machen, anfing, den Lehrern Widerworte zu geben, weglief oder sich die falschen Freunde suchte. Manche Eltern sind dann mit ihrer Weisheit am Ende, wenn sie herauszubekommen versuchen, wie es zu einem solchen Verhalten kommen konnte.

Harvey P. Mandel und Sander I. Marcus (1995) haben eine spannende Analyse schlechter Schulleistungen bei Jugendlichen vorgelegt. Aufgrund ihrer Arbeit mit Tausenden von Schülern, deren Leistungen hinter den Erwartungen zurückblieben, kamen sie zu der Schlussfolgerung: »Schüler mit zu schlechten Leistungen sind in der Tat hoch motiviert – aber mit einem anderen Ziel, als gute Noten zu bekommen. Und der Schlüssel dazu, ihnen zu helfen, dass sie die Kurve bekommen und in der Schule wieder gute Leistungen zeigen, ist es, herauszufinden, worin ihre Motivation besteht.« (S. 3)

Ich werde sechs verbreitete, in der Motivation begründete Faktoren für zu schlechte Leistungen besprechen. Über jeden Einzelnen dieser Faktoren kann man etwas mithilfe von standardisierten Testwerten im Reiss School Motivation Profile herausfinden. Vier der sechs Ursachen sind etwas ganz Normales. Nur zwei davon sind mögliche Symptome einer psychischen Störung. Wenn ich sage, dass zu schlechte Leistun gen oft das Ergebnis normaler Motivationsfaktoren sind, meine ich damit nicht, dass es für Jugendliche vollkommen in Ordnung ist, in der Schule schlechte Noten zu bekommen. Ich sage vielmehr, dass die Lösung nicht in der Therapie fehldiagnostizierter oder nicht vorhandener Störungen liegt. Nach der Definition bezeichnet man mit zu schlechten Leistungen eine chronische Diskrepanz zwischen der Gesamtleistung einer Person und ihrem Leistungspotenzial. Jugendliche mit zu schlechten Leistungen bekommen Noten, die weit unterhalb ihres Potenzials liegen.

Psychodynamik der schlechten Leistung


Das Jugendalter ist eine Zeit, in der der Wunsch der Teenager nach Unabhängigkeit enttäuscht wird. Jugendliche möchten unabhängige Erwachsene werden, aber sie brauchen weiterhin ihre Eltern zur finanziellen Unterstützung. Teenager bringen bisweilen ihre Frustration dadurch zum Ausdruck, dass sie ihre Eltern provozieren: Sie laufen weg, reden respektlos, ziehen über die Wertvorstellungen der Eltern her, bringen schlechte Noten nach Hause oder verabreden sich mit Personen, die die Eltern ablehnen. Experten aus dem Bereich der Psychodynamik weisen auf eine Reihe von Faktoren für schlechte Leistungen in der Schule hin (Rimm, 1986, White &, Watt, 1973). Dazu gehören überbehütende Eltern, die dem natürlichen Wunsch des Kinds nach Unabhängigkeit nicht gerecht werden, Geschwisterrivalität, die vermutlich etwas zur grundlegenden Aufsässigkeit von Teenagern beiträgt, und Eltern, die miteinander streiten oder sich scheiden lassen. Zu den weiteren möglichen psychodynamischen Faktoren gehören ein mangelhaftes Selbstkonzept, ein unrealistisches Erwartungsniveau und unbewusste Schuld (das Gefühl, den Erfolg nicht verdient zu haben).

Lernstörungen

Aus dem, was man in den 1950er Jahren »Schulversager« nannte, wurde in den 1960er Jahren »Lernbehinderungen«. Der Grundgedanke bestand darin, dass ein Schüler immer, wenn er schlechtere Leistungen aufweist, als es seinem Potenzial entspricht, irgendeine Art von Lernbehinderung haben muss, die diese Diskrepanz erklärt. In den 1990er Jahren wurde die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zur allgemeinen Diagnose für Schüler mit Lernproblemen.