Alissa sucht das Glück - Der neue Dr. Laurin 41 - Arztroman

Alissa sucht das Glück - Der neue Dr. Laurin 41 - Arztroman

von: Viola Maybach

Martin Kelter Verlag, 2021

ISBN: 9783740975395 , 100 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 1,99 EUR

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Alissa sucht das Glück - Der neue Dr. Laurin 41 - Arztroman


 

Alissa Nielsen fragte sich, ob Thorsten Fröder, den sie erst in der Woche zuvor kennengelernt hatte, anders war als andere Männer – in dem einen bestimmten Punkt, der sie vor allem interessierte. Sie hoffte es, aber sie blieb, aus Erfahrung klug geworden, vorsichtig.

Thorsten sah nett aus mit seinen blonden Haaren und den irgendwie unschuldig wirkenden blauen Augen, und er konnte sehr unterhaltsam sein. Sie hatten sich bei einer gemeinsamen Bekannten getroffen und gleich einen guten Draht zu­einander gehabt. Aber wie oft war ihr das schon passiert? Wie oft hatte sie schon gedacht, sie, Alissa, sei gemeint – und nicht jene besondere Beschaffenheit ihres Körpers, von der sie mittlerweile wusste, dass sie bestimmte Männer magisch anzog?

Sie hatte einen übermäßig großen Busen, der ihr im Laufe ihrer Teenagerzeit gewachsen war und den sie von Anfang an verwünscht hatte, sehr zur Verwunderung anderer Frauen.

»Ich wäre froh, wenn ich so viel Busen hätte wie du! Guck mich an! Weißt du, was ein Mann mal zu mir gesagt hat? Ich hätte zwei Spiegeleier an der Stelle, wo andere Frauen Brüste hätten! Ein anderer hat sie sogar mal als Wespenstiche bezeichnet. Ich sage dir, so etwas ist sehr demütigend. Also beklag dich bloß nicht über deinen großen Busen!« Wie oft hatte sie solche und ähnliche Reden schon hören müssen? Unzählige Male!

Aber Alissas Brüste waren immer größer und schwerer geworden. Zu Beginn hatte sie noch versucht, den wahren Umfang irgendwie zu verstecken, aber das war längst nicht mehr möglich. Ihr Busen war einfach unübersehbar, auch wenn sie weit geschnittene Blusen oder Hemden trug, um ihn wenigstens nicht noch zu betonen.

Ein Dekolleté leistete sie sich schon lange nicht mehr, aber sie hätte gern mal wieder ein schmales Kleid oder einen etwas knapper geschnittenen Pullover getragen, doch das konnte sie sich abschminken, ihr Busen passte einfach nicht mehr hinein. Dabei war sie sonst schmal gebaut, weshalb sich die Konfektionsgröße ihrer oberen Hälfte stark von der ihrer unteren unterschied. Und aus diesem Grund kaufte sie nur noch sehr ungern ein. Röcke in Größe sechsunddreißig, Blusen in Größe …

Nein, sie mochte die Zahl nicht einmal denken.

Aber es war zweifellos besser, sich obenherum zu verhüllen, als ihre große Oberweite noch extra zu betonen, auch ohne enge Kleidung wurde sie oft genug belästigt. Für manche Männer war ein großer Busen offenbar etwas Unwiderstehliches. Leider interessierten sie sich dann nur dafür und nicht für den Menschen Alissa. Das, dachte sie manchmal, war mindestens so demütigend wie die dummen Bemerkungen über Spiegeleier und Wespenstiche.

»Von einer Frau wie dir habe ich immer geträumt«, sagte Thorsten in ihre Gedanken hinein. »Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, sie jemals zu finden.«

»Eine Frau wie mich?«, fragte sie. »Was meinst du denn damit?«

Einige Sekunden lang hoffte sie, er werde sagen: ›Mir gefällt einfach alles an dir. Ich mag es, wie du aussiehst, ich höre dir gern zu, wenn du redest, und ich lache gern mit dir.‹

Die Hoffnung zerstob schnell, denn Thorsten unterlief der verräterische Blick, auf den Alissa, eher unbewusst, schon gewartet hatte. Dieser Blick verirrte sich von ihrem Gesicht über ihren Hals noch ein Stückchen abwärts und ruhte dann auf ihrem Busen, bevor er, fast schuldbewusst, zu ihrem Gesicht zurückkehrte. Dann erst sagte Thorsten den Satz, den er vor diesem Blick hätte sagen sollen: »Mir gefällt einfach alles an dir, das war von Anfang an so.«

Alissa seufzte. In anderen Situationen hatte sie an dieser Stelle Streit gesucht, dem betreffenden Mann auf den Kopf zugesagt, wofür er sich in Wahrheit interessierte, aber das machte sie schon lange nicht mehr, denn es führte zu nichts.

»Ich glaube, mir geht es nicht so, Thorsten«, sagte sie ganz ruhig. »Tut mir leid, aber ich möchte dir keine falschen Hoffnungen machen.«

Er sah aus, als hätte sie ihn geschlagen, und einen Moment lang tat er ihr fast leid. Er erholte sich jedoch überraschend schnell, wurde aggressiv und beschimpfte sie als ›arrogante Ziege, die sich offenbar für etwas Besseres hielt‹. Sie war so verblüfft über diesen rasanten Wechsel in Tonfall und Haltung, dass sie einfach gar nichts erwiderte. Sie blieb auch sitzen, als er schließlich so heftig aufsprang, dass er seinen Stuhl umwarf, und aus dem Café stürmte.

Gleich darauf stand Charlie neben Alissa. »Wieder einer?«, fragte sie, während sie den Stuhl aufstellte.

Alissa nickte.

»Schade, er sah eigentlich nett aus.« Charlie war die Bedienung im Café. Da gerade nicht viel los war, setzte sie sich für einen Moment zu Alissa an den Tisch. »Mach dir nichts draus, das sind alles Idioten, Ali. Eines Tages kommt ein Mann, dem es um dich geht und nicht um deine Oberweite.«

Alissa war sehr gut mit Charlie befreundet, deshalb wusste Charlie Bescheid.

»Glaubst du das im Ernst?«, fragte Alissa. Sie fühlte sich plötzlich sehr müde, obwohl die Erfahrung, die sie gerade gemacht hatte, ihr ja beileibe nicht neu war. Dennoch: Jedes Mal wieder hoffte sie, es werde endlich einmal anders sein als sonst. Und jedes Mal wurde sie enttäuscht.

»Ja, das glaube ich im Ernst!«, antwortete Charlie mit fester Stimme.

Alissa lächelte unwillkürlich. Charlie war eine heimliche Romantikerin, was man ihr nicht ansah. Sie trug großflächige Tattoos auf einem Arm und am Hals, dazu viele glitzernde Steine in beiden Ohren und auf beiden Nasenflügeln, und sie färbte sich die Haare bevorzugt in Farben, die in der Natur für Haare nicht vorgesehen waren. Derzeit waren sie blau – so blau wie ihre Augen, was einen eigenartigen Effekt hervorrief. Natürlich kleidete sie sich schwarz. Sie war sehr hübsch, fand Alissa, aber sie gab sich Mühe, ihr gutes Aussehen unter der wilden Aufmachung mehr oder weniger zu verstecken.

»Ach, Charlie!«, sagte sie.

Charlie beugte sich vor und tätschelte ihren Arm. »Das wird schon!«, sagte sie und klang dabei wie eine liebe alte Tante, die ihre kleine Nichte tröstet.

Erschrocken bemerkte Alissa, dass ihr die Tränen kamen. Dabei ging es nicht um Thorsten speziell, sondern um diese elende Erfahrung, die sie einfach immer wieder machte, dass Männer sich fast nie für sie interessierten, dafür, was sie dachte, fühlte, sich wünschte. Immer und immer wieder ging es nur um das Eine … Sie war es so leid!

»Hey, du wirst doch wegen diesem blöden Kerl nicht weinen!«

»Nicht wegen dieses einen Kerls«, sagte Alissa, während sie gewaltsam ihre Tränen hinunterschluckte. »Sondern wegen all der blöden Kerle, die sich schon so oder so ähnlich verhalten haben.«

»Sie sind nicht alle so!« Wieder sprach Charlie mit großer Entschiedenheit. »Du weißt ja, meine Erfahrungen sind auch nicht die besten, aber es gibt Ausnahmen. Man muss sie nur finden.«

Alissa nickte. Charlie hatte ja Recht, aber sie hatte keine Lust mehr, zu suchen. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, besaß ihre eigene kleine Brotbäckerei, die hervorragend lief, und sie war allein. Sie hätte gern eine Familie gegründet, sie wollte mindestens zwei, besser noch mehr Kinder haben, aber dazu brauchte sie nun einmal einen Mann, der denselben Wunsch hatte. Und diesen Mann zu finden erwies sich leider als ziemlich schwierig – und zwar nicht, weil sie nicht attraktiv genug aussah. Sie war hübsch, das wusste sie, auch wenn sie sich nicht viel darauf einbildete. Sie hatte lange schwarze Haare, schöne, dunkle Augen und eine gute Figur – bis auf diesen viel zu großen Busen, der die einen Männer magisch anzog, die anderen dagegen eher abzuschrecken schien. So jedenfalls erklärte sie es sich, dass sie bislang keinen passenden Partner gefunden hatte.

Aber sie konnte sich schließlich keinen backen, so wie sie es mit dem Brot machte. Da überlegte sie sich ein Rezept, konnte förmlich schmecken, wie das Brot schmecken sollte und sah es vor ihrem inneren Auge, und dann legte sie los, arbeitete daran, bis es so war, wie sie es haben wollte. Bei Männern hatte sie diese Möglichkeit der Gestaltung leider nicht, sondern musste nehmen, was vorhanden war.

Als ihr aufging, was sie gerade gedacht hatte, musste sie nicht länger weinen. Sich einen Mann backen, ganz nach Wunsch, das wär’s … Sie konnte fast schon wieder lachen.

»Ich muss los, Charlie«, sagte sie. »Was kriegst du?«

»Der Kaffee für den Typen geht aufs Haus«, antwortete Charlie, »und deiner auch. Betrachte dich als eingeladen.«

»Nein, das will ich nicht …«

Charlie legte ihr einen Finger auf den Mund. »Still, keine Widerrede. Beim nächsten Mal darfst du wieder bezahlen. Übrigens, dieses neue Brot von dir kommt super an. Wir nehmen in Zukunft mehr davon, heute Morgen war das blitzschnell ausverkauft, die Kunden sind verrückt danach.«

Diese Information heiterte Alissa ebenfalls auf. Sie war eine leidenschaftliche Brotbäckerin, tüftelte lange an neuen Rezepturen und alle paar Monate bot sie dann etwas Neues an. Wenn es gut ankam, nahm sie es in ihr Angebot auf, wenn nicht, verschwand es wieder. Sie hatte schon als Kind gern gebacken. Sehr gern erinnerte sich an die Weihnachtszeit, wenn sie mit ihrer Mutter in der Küche gestanden und gebacken hatte. Sie war ungefähr zwölf gewesen, als ihre Mutter gesagt hatte: »Ich kann dir nichts mehr beibringen, Kind, du backst mittlerweile besser als ich.«

Schon damals hatte sie angefangen, eigene Rezepte zu entwickeln. Plätzchen und Stollen machte sie auch heute noch gern, die bot sie in der Weihnachtszeit auch in ihrem Geschäft an, und sie fanden reißenden Absatz. Aber am spannendsten fand sie mittlerweile die Brotbäckerei, und...