Borderline-Störung

von: Martin Bohus

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2002

ISBN: 9783840910968 , 141 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 17,99 EUR

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Borderline-Störung


 

10 Stand der Wirksamkeitsforschung (S. 126-127)

Mit Ausnahme einer Untersuchung zur Wirksamkeit von tiefenpsychologisch orientierter Gruppen- und Einzeltherapie (Marziali & Munroe-Blum, 1994) und einer Untersuchung zur Wirksamkeit von 18monatiger teilstationärer tiefenpsychologisch orientierten Therapie (Bateman & Fonagy, 1999; 2001), liegen keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit tiefenpsychologisch orientierter psychotherapeutischer Behandlung bei BPS vor. Marziali und Munroe-Blum fanden eine leichte Überlegenheit der Gruppentherapie hinsichtlich Therapiecompliance gegenüber tiefenpsychologischer Einzeltherapie.

Die Studie von Bateman und Fonagy zeigte vor allem, daß Borderline-Patienten ohne spezifische Therapie in ihrer Symptomatik über den Zeitraum von 18 Monaten weitgehend konstant blieben. Es ist also unter herkömmlichen psychiatrisch/psychotherapeutischen Versorgungsbedingungen nicht mit Spontanremission zu rechnen.

Die tiefenpsychologisch orientierte teilstationäre Behandlung zeigte nach ca. 12 Monaten signifikante Unterschiede im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe hinsichtlich Reduktion von Selbstverletzung, Depressivität und Frequenz vollstationärer Aufenthalte. Nach Entlassung aus der teilstationären Behandlung wurde die Therapie unter ambulanten Bedingungen als analytisch orientierte Gruppentherapie (180 Stunden in 18 Monaten) fortgesetzt.

Im Vergleich mit der unspezifisch behandelten Kontrollgruppe zeigten sich weiter signifikante Verbesserungen sowohl auf der Verhaltensebene (Suizidversuche und Selbstverletzungen) als auch auf psychopathometrischer Ebene (Depressivität, Angst und globale psychiatrische Symptomatik). Damit kann diese Form der Psychotherapie sicherlich als wirksam erachtet werden. Einschränkend kann einerseits der hohe Kostenaufwand (18 Monate teilstationäre Behandlung) diskutiert werden, andererseits sind bei der Komplexität teilstationärer Behandlung über diesen langen Zeitraum sicherlich eine Vielzahl von unspezifischen Wirkfaktoren, wie z. B. die hohen Gruppenkohäsion (19 Patienten wurden als Gruppe über 3 Jahre behandelt), zu berücksichtigen.

Kontrollierte randomisierte Studien zur Wirksamkeit ambulanter Psychotherapie liegen derzeit nur für die Dialektisch-Behaviorale Psychotherapie (DBT) vor. Linehan et al. (1991; 1993; 1994) verglichen zunächst im Rahmen einer kontrollierten randomisierten Studie DBT mit unspezifischer psychotherapeutischer Behandlung (treatment as usual = TAU). Sie fanden bereits nach vier Monaten eine signifikante Überlegenheit der DBT hinsichtlich Abnahme der Selbstschädigung, des medizinischen Risikos der Selbstverletzungen sowie der stationären Behandlungstage. Auf der psychopathometrischen Ebene, das heißt Depressivität, Suizidvorstellungen und Hoffnungslosigkeit, zeigten sich zwar Verbesserungen im prä-post-Vergleich, jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen.

Dies war jedoch im Bereich der sozialen Integration der Fall. Die Rate der Behandlungsabbrüche der DBT lag bei 17%, bei TAU bei 58%. In einer umfassenden Kritik dieser Studie betonte Scheel (2000) die Diskrepanz zwischen einer relativ schlechten empirischen Datenlage und der zunehmend raschen Verbreitung der DBT in den USA und Europa. Mittlerweile wurden jedoch weitere Studien durchgeführt, die einerseits die ambulante Standard- DBT betreffen, andererseits spezifische Komponenten der DBT sowie Adaptationen an spezifische Behandlungsbedingungen (z. B. Forensik) oder andere Störungsgruppen (z. B. Adoleszente oder Drogenabhängigkeit) (Übersicht: Koerner & Dimeff, 2000). Trotz unterschiedlicher Designs und teilweise geringen Fallzahlen bestätigen diese Studien weitgehend die Untersuchungsergebnisse der ersten Studie von M. Linehan.

In einer von Crits- Christoph et al. (1998) veröffentlichten Liste, welche alle empirisch validierten störungsspezifischen Psychotherapien auflistet, wird die DBT als einziges Behandlungskonzept für Borderline-Störungen als „probably efficacious" eingestuft. Aussagen zur Überlegenheit gegenüber tiefenpsychologisch orientierten Therapien können derzeit nicht gemacht werden, da vergleichende Studien zwischen DBT und der „Transference-Fokused- Therapy" (TFT) nach O. Kernberg, erst am Karolinska Institut in Stockholm sowie am Cornell Medical Center in New York begonnen wurden.