Geil auf Gewalt? Eine Studie über den Reiz von Mord und Totschlag in der Zeitung

von: Katja Fischborn

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836617222 , 378 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 43,00 EUR

Mehr zum Inhalt

Geil auf Gewalt? Eine Studie über den Reiz von Mord und Totschlag in der Zeitung


 

Kapitel 4, Nachrichtenauswahl - good news are bad news?

Jedes Medium hat nur einen beschränkten Umfang und kann nicht die komplette Wirklichkeit abbilden. Deshalb müssen Journalisten selektieren, welche Ereignisse sie zu Nachrichten verarbeiten. Diese Auswahl-Funktion erwartet das Publikum: „Den Medien kommt damit die Aufgabe zu, das Weltgeschehen zu beobachten, zu strukturieren und hinsichtlich der ‚Wichtigkeit und Interessantheit’ zu bewerten.“ (EILDERS 1997: 13) Problematisch dabei ist oft nicht die Auswahl selbst, sondern die Selektionskriterien, anhand derer der Journalist über Veröffentlichungen entscheidet. Zu den intrinsischen Faktoren gehören die Nachrichtenfaktoren, zu den extrinsischen die persönlichen Einstellungen der Journalisten (vgl. BROSIUS 1995: 24f.). Oft müssen sich Journalisten den Vorwurf gefallen lassen, sie würden Gewalt absichtlich als Aufmacher, als Aufreißer und Hingucker benutzen. Kritik wird vor allem daran geübt, wie über Gewalt berichtet wird und welchen Stellenwert die Gewalt in den Medien einnimmt (vgl. CHILL / MEYN 2000) – kurz gesagt: Die journalistische Berufsethik wird in Frage gestellt.
Wenn man die Leser selbst entscheiden ließe, würde die Nachrichtenlage in der Zeitung dann anders aussehen? Ein immer wiederkehrender Vorwurf lautet, negative Ereignisse wie Katastrophen oder Skandale tauchten zu häufig auf – gemäß dem Satz „good news are bad news“. Zwar gelten Nachrichten über Kriminalität allgemein als attraktiv für den Leser – eigentlich ist das aber ziemlich erstaunlich. Denn Berichte über Verbrechen haben kaum Neuigkeitswert, schließlich passieren sie fast alltäglich in ähnlicher Form. Ob die Nachrichtenfaktoren wie Prominenz, räumliche Nähe etc. als allgemein-menschliche Selektionskriterien (vgl. GALTUNG / RUGE 1965) auch für den Leser gelten, wird später beleuchtet (Kapitel 6.4). Dass Zeitungen die Nachrichten nur deshalb drucken, weil andere Zeitungen es auch tun und immer getan haben, wie Hans Joachim Schneider (1980: 127) behauptet, ist keine ausreichende Begründung. Auch seine Behauptung, die Zeitungen kämen in der Berichterstattung den Vorurteilen und Stereotypen ihrer Leser entgegen, um die Auflage zu steigern (vgl. SCHNEIDER 1980: 128), kann man nicht einfach verallgemeinern. Dann ist schon eher die Sichtweise akzeptabel, dass diese Art von Nachrichten den Lesern die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem bewusst machen soll (vgl. SCHNEIDER 1980: 127) – früher fanden Hinrichtungen vor allem öffentlich statt, um durch diese schreckliche Bestrafung andere von kriminellen Taten abzuhalten (vgl. GOLDBERG 1998: 27).
In diesem Kapitel wird ein Forschungsüberblick zu den journalistischen Auswahlkriterien gegeben und auf die Nachrichtenfaktoren eingegangen, die diese Auswahl beeinflussen können. Dabei wird möglichst auf Ergebnisse zu den Faktoren, die den Bereich der gewalthaltigen Nachrichten betreffen, eingegangen, um darzustellen, warum sich Journalisten für die Veröffentlichung solcher Ereignisse entscheiden könnten. Im weiteren Verlauf geht es dann um Studien, die sich mit dem Verhältnis der tatsächlichen zur berichteten Kriminalität beschäftigen.