Verführt!

von: Wendy Etherington

CORA Verlag, 2019

ISBN: 9783733746070 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 2,49 EUR

Mehr zum Inhalt

Verführt!


 

1. KAPITEL

Skyler Kimball saß hoch oben in einer Eiche, und während sie den Ast umklammerte, der direkt über ihrem Kopf verlief, streckte sie die andere Hand nach dem Ausreißer aus. „Komm schon, Fluffy.“

Fluffy, die kupferfarbene Perserkatze, hockte keine zwei Meter von ihr entfernt und sah sie unverwandt an.

Was hast du denn erwartet, Sky? tadelte sie sich selbst. Dass das Tier sich einfach in deine Arme flüchtet, nachdem es sich hier seit über zwei Stunden offenbar sehr wohl fühlt? Das Leben war niemals so einfach. Jedenfalls nicht ihres.

„Ich habe die Feuerwehr alarmiert, Skyler Schätzchen!“, rief plötzlich Roland, Fluffys Besitzer, zu ihr hoch.

„Äh …“ Vor Schreck ließ sie beinahe den Ast los, an dem sie sich festhielt. „Ist das nicht ein bisschen übertrieben?“, rief sie zurück und spähte durch das Laubwerk zu ihm nach unten.

Roland Patterson, der Besitzer des Zoogeschäftes direkt neben ihrer Boutique für Damenoberbekleidung, sah lächelnd zu ihr hinauf. Selbst aus fünfzehn Metern Entfernung konnte sie erkennen, wie seine Augen strahlten.

Aber ihm war natürlich jeder Grund recht, die Feuerwehr zu alarmieren. Roland hatte eine Schwäche für die Feuerwehr. Genauer gesagt, für Feuerwehrmänner.

Seit fast zwei Jahren waren Roland und sie stolze Ladenbesitzer an der Hauptstraße von Baxter, Georgia, ihrer Heimatstadt. Die Gemeinde hatte Kredite zu großzügigen Konditionen vergeben, wodurch sie – genau wie die Bäckerei, das Fitnessstudio und das Blumengeschäft – die Chance bekommen hatten, an dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt teilzuhaben. Skyler fand ihre Selbstständigkeit als Besitzerin von „Kimball Fashions“ wundervoll. Da spielte es keine Rolle, dass ihre älteren Brüder an jedem einzelnen Paragrafen des Vertrages, den sie unterzeichnet hatte, etwas auszusetzen gehabt hatten.

Und genau diese Brüder würden jetzt wohl gleich auf der Bildfläche erscheinen mit Sirenen, Blaulicht und allem, was die Feuerwehr von Baxter so zu bieten hatte.

Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Bitte, lieber Gott, lass sie nicht mit der Leiter kommen … bitte nicht.

„Na los, Fluffy.“ Flehend streckte sie noch einmal die Hand nach dem ungezogenen Tier aus.

Fluffy ignorierte sie und begann von Neuem, ihre inzwischen wahrscheinlich keimfreie Pfote sauber zu lecken.

Die Sorge, dass Roland – ängstlich und überbesorgt, wie er nun einmal war – auf die Idee kommen könnte, wegen so einer Lappalie wie Kätzchen in Not die Feuerwehr zu rufen, war überhaupt erst der Anlass für sie gewesen, hier hochzuklettern. Sie wurde mit jedem Problem fertig. Und zwar ohne die Hilfe ihrer Brüder. Ganz sicher würde sie auch mit dieser dummen Katze fertig werden.

Irgendwo in der Ferne hörte sie eine Sirene.

Einen Moment lang überlegte sie, ob sie vorher schnell absteigen sollte, aber ein Blick nach unten auf den sommerlich grünen Rasen des Parks belehrte sie eines Besseren. Sie schluckte. War sie wirklich so hoch geklettert?

Noch schlimmer war, dass sich unten auf dem Gehweg bereits eine kleine Menschenmenge angesammelt hatte. Skyler verfluchte ihre Impulsivität und lehnte die Stirn an den rauen Stamm des Baumes. Ihr Leben lang hatte sie gegen diese Heldenmentalität ihrer Familie angekämpft, indem sie sich möglichst vorsichtig und besonnen verhielt. Ihr Vater hatte als Held bei der Bekämpfung eines Brandes sein Leben eingesetzt und es verloren, ohne vorher darüber nachzudenken, was sein Verlust emotional und finanziell für seine Familie bedeuten würde. Ihre Brüder Ben und Steve arbeiteten jetzt ebenfalls bei der Feuerwehr, und Wes war Polizist geworden. Tag für Tag gaben sie ihr Bestes, um der Heldenlegende seiner Familie gerecht zu werden, während sie, Skyler, versuchte, das Gegenteil zu tun.

Sie kümmerte sich um ihre Mutter, die sich niemals völlig von dem Tod ihres Mannes vor zwanzig Jahren erholte hatte, sie zahlte als brave Bürgerin ihre Steuern, bemühte sich um ihre Kundschaft, ging jeden zweiten Samstagabend mit ihren Freundinnen aus und kämpfte gegen Panikattacken an, die sie hin und wieder wegen der gefährlichen Jobs ihrer Brüder befielen.

Und heute hatte sie neue Waren einzuräumen, musste gute Kundinnen anrufen wegen des bevorstehenden Sommerschlussverkaufes und sich obendrein um ihre Buchhaltung kümmern. Warum nur hatte sie nach jahrelanger Enthaltsamkeit, was Heldentum betraf, sich ausgerechnet wegen einer Katze zu so etwas Unbesonnenem hinreißen lassen? Wenn Roland nicht so gejammert hätte …

„Nicht springen, junge Frau!“, rief ein Passant zu ihr hoch. „Bleiben Sie ganz ruhig. Bedenken Sie nur, wie wertvoll das Leben ist.“

„Ja, ja.“

Und dann war die Feuerwehr da. Mit der Leiter und dem Pumpenwagen. Der Notarztwagen fehlte natürlich auch nicht.

Skyler drehte sich auf ihrem Ast herum, lehnte sich jetzt mit dem Rücken an den Stamm und spähte zur Straße hinunter. „Tja, Fluffy, jetzt kriegen wir beide wohl das volle Programm.“

Captain Benjamin Kimball, ihr ältester Bruder, und Steve, der fünf Jahre jünger war, sprangen aus dem ersten Wagen. Weitere Feuerwehrleute stiegen aus den anderen Wagen und rannten ihrem Captain hinterher. Entnervt schloss Skyler die Augen und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Polizei – also ihr dritter Bruder – da wäre.

Plötzlich spürte sie, wie etwas gegen ihren Arm stieß. Sie riss die Augen auf und sah, dass Fluffy zutraulich näher gekommen war. Automatisch begann sie, das schnurrende Tier zwischen den Ohren zu kraulen. „Also, weißt du, das hättest du dir auch ein bisschen früher überlegen können.“

Wie zur Antwort sprang ihr die Katze auf den Schoß und verletzte sie dabei mit den Krallen am Arm.

„Autsch!“ Skyler zuckte so heftig zusammen, dass sie schnell nach einem herabhängenden Zweig greifen musste, um das Gleichgewicht zu halten.

Die Menschenmenge am Fuße des Baumes keuchte vor Schreck auf.

„Skyler?“, rief jetzt jemand von unten. Es war Ben.

Skyler winkte in die Richtung, aus der seine Stimme gekommen war. „Hier.“

„Du hast doch nicht vor zu springen, oder?“

„Nicht heute.“

„Kannst du allein runterklettern?“

„Meinst du, ich sollte?“

„Skyler …“, begann Ben in dem vorwurfsvollen Ton, den er immer anschlug, wenn er sie aus einem Schlamassel befreien musste, in den sie durch ihre Impulsivität geraten war.

„Bin schon unterwegs.“ Sie klemmte sich Fluffy unter den Arm, stützte sich mit einer Hand am Stamm ab und stellte vorsichtig einen Fuß auf den nächsttieferen Ast. Gerade zog sie das andere Bein nach, da bekam es Fluffy mit der Angst zu tun und kratzte sie erneut am Arm. Skyler schwankte bedrohlich, Fluffy fauchte und versetzte ihr noch einen Hieb, bevor sie sich ihr geschickt entwand und sich auf einen anderen Ast flüchtete.

Sklyers Arm tat höllisch weh. Um sich zu beruhigen, ging sie erst einmal in die Hocke und setzte sich dann rittlings auf den Ast. Ihr Magen rebellierte, Schweißtropfen liefen ihr den Rücken hinab. „Okay, das war nicht lustig.“

Nach einem letzten wütenden Blick auf die Katze fuhr sie mit ihrem Abstieg fort. „Du kannst mir jetzt gestohlen bleiben, du Biest!“

Doch sie hatte es kaum einen Meter weiter nach unten geschafft, als sie das vertraute Geräusch der Hydraulik hörte. Oh nein, sie fahren die Leiter aus, dachte sie und lehnte wieder die Stirn an den Stamm der Eiche.

Die Katze fauchte.

„Ganz recht, Fluffy.“

„Ich heiße Jack, chère,, nicht Fluffy. Reichen Sie mir Ihre Hand.“

Skylers Kopf fuhr herum, und prompt stieß sie sich dabei an einem Ast. Sich die Stirn reibend, beugte sie sich zu dem Mann hinab, der sie angesprochen hatte, und sah direkt in ein Paar Augen, deren Farbe sie an Whiskey erinnerte. Außer diesen unglaublichen Augen war da noch schwarzes Haar, ein ungemein attraktives, sonnengebräuntes Gesicht, breite Schultern, muskulöse Arme, und …

Beinahe hätte sie wieder das Gleichgewicht verloren, als sie sich noch weiter hinunterbeugte, um einen besseren Blick auf dieses Prachtexemplar von einem Mann zu haben.

Schnell packte er sie am Handgelenk und hielt sie fest.

Ihr Puls begann zu rasen. Die Wärme, die von seiner Hand ausging, schien direkt durch die Haut in ihre Adern zu strömen, und ihr wurde noch heißer, als ihr ohnehin schon war.

„Halten Sie sich an mir fest, chère“, sagte er. „Ich möchte bei meinem Captain Eindruck schinden.“

Skyler blinzelte überrascht. Aber natürlich. Ben hatte letzten Sonntag beim Abendessen erwähnt, dass sie einen neuen Mann eingestellt hätten, der gleichzeitig Feuerwehrmann und Sanitäter sei. Er stamme aus einer Kleinstadt in Louisiana. Er wolle sich unbedingt verbessern und sei ziemlich ehrgeizig.

Noch so ein Held.

Allerdings einer, der im Augenblick dabei war, sie zu retten. Es stand ihr also nicht zu, ihn zu kritisieren.

Er kam noch ein paar Sprossen hinauf, bis er mit ihr auf gleicher Höhe war, und zog an ihrem Arm. „Na, kommen Sie schon. Ich passe auf, dass Ihnen nichts passiert.“

Sie lächelte. Das hörte sich nett an. Langsam drehte sie sich auf ihrem Ast um und stellte vorsichtig einen Fuß auf die Leiter. Doch als diese bedrohlich zu wackeln begann, ließ sie vor Schreck alle Vorsicht außer Acht und warf einfach die Arme um den Hals des Feuerwehrmanns. Jetzt wurde ihr erst richtig heiß. Sein schönes Gesicht war nur wenige Zentimeter von...