Der Kampf um die parteipolitische Macht in der Russländischen Föderation. Die KPRF 1991 - 1996

von: Markus Mirschel

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836619745 , 133 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 33,00 EUR

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Der Kampf um die parteipolitische Macht in der Russländischen Föderation. Die KPRF 1991 - 1996


 

Kapitel 3.2.2, Endogene Faktoren:

Der erste der endogenen Faktoren, der sich in diesen Aussagen herauskristallisiert, ist der `Programm-Mix´, welcher sich aber an der gegenwärtigen Situation in der RF und der politischen Ausrichtung der KPRF orientiert. Er muss somit nicht als hemmend gewertet werden, da er eher eine breite Wählerschicht miteinander verbindet und die breite Koalitionsbereitschaft der KPRF gewährleistet.

Der zweite endogene Faktor lässt sich in der Aussage zu den jeweiligen KPRF-Flügeln finden. Hier ist zu sagen, dass der `konservativ-stalinistische Flügel´, der laut Aussage H. Timmermanns nur noch 10-15% innerhalb der KPRF ausmacht, zwar Druck auf die Führung ausüben kann, doch an dem Problem zu leiden hat, dass nur noch rund 15% des Wahlvolkes ein schlichtes Zurück zum Realsozialismus sowjetischen Typs auch in der Realität sehen will. Zum zweiten Flügel, der `sozialdemokratischen Strömung´, ist zu sagen, dass sie von der Größe der Gruppe bei nur 10% lag und sich dem Dilemma ausgesetzt sah, dass die sozialdemokratische Position bereits von einer Vielzahl politischer Vereinigungen außerhalb der KPRF besetzt war. Ebenso sah sich die `sozialdemokratische Strömung´ stetigen Angriffen der Konservativen innerhalb der KPRF ausgesetzt. Sie würde „[…] die besondere kulturhistorische Tradition und die Vorrausetzungen Russlands missachten und das Land den zersetzenden Einflüssen der westlichen Zivilisation aussetzten.“ Dieser Vorwurf wurde auch von Seiten der stärksten Formation innerhalb der KPRF, dem rund 75% starken `linksnationalistischen Zentrum´ an die `sozialdemokratische Strömung´ gerichtet. Der damalige stellvertretende Vorsitzende der KPRF, A. A. Schabanow, attestierte, dass es angesichts der spezifischen Bedingungen des Landes „in Russland keinerlei Sozialdemokratie geben [kann].“ Für die KPRF bedeuteten die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Vereinigung keineswegs eine Stagnation, wie A. Ignatow ein vermeintliches Dilemma der KPRF versucht zu umschreiben, sondern es bedeutet das Aufbrechen des monolithischen Blockes und die Zulassung von Plattformen, was der programmatischen Diskussion innerhalb der KPRF dienlich war.

Ein weiterer endogener Faktor bezieht sich auf die schon angesprochene Koalitionsfähigkeit der KPRF, hier in Bezug auf die beiden Staatsdumawahlen und die Präsidentschaftswahl von 1996. Doch ist auch dieser Koalitionsbereitschaft eine Grenze gesetzt. Auf der einen Seite verbietet sich durch die strikte Ablehnung einer Sozialdemokratisierung die Zusammenarbeit mit den einschlägigen Vereinigungen dieses Spektrums. Auf der anderen Seite gibt es trotz der Einbindung nationalistischer Elemente keine Zusammenarbeit mit z.B. der LDPR. Dies unterstreicht H. Timmermann, indem er sagt: „[…], zur Partei Schirinowskijs allerdings hält die KPRF deutlichen Abstand, da sie diese als unseriös einschätzt und ihr (keineswegs zu Unrecht) vorwirft, das Regime Jelzin-Tschernomyrdin zu unterstützen.“ Und abschließend lassen sich bei allen taktischen Übereinkommen auch Grenzen erkennen, die sich im linksradikalen Spektrum der RF für die KPRF ergeben. Zum einen der Gewaltverzicht, auf den sich keine der linksradikalen Vereinigungen einlassen wollte, aber auch die Abkehr der KPRF von radikaler Rhetorik.

Somit blieb der KPRF nur die schon angesprochene Möglichkeit, auf der Basis der NPSR als Nachfolge des `Volkspatriotischen Blockes´ ein Bündnis zu schmieden, was aber in keiner Weise alle oppositionellen Kräfte an sich band. Die NPSR bildete einen Zusammenschluss unter Vorherrschaft der KPRF. Als Hauptziele der NPSR ließen sich festhalten: „eine Absage an jeden Radikalismus, die Betonung der staatlichen Interessen und der Versuch der Einflussnahme auf das Machtsystem“.

Dass die KPRF auch weiterhin zwischen der parlamentarischen und der außerparlamentarischen Arbeit unterschied, zeigte die schon angebrachte partielle Zusammenarbeit mit JABLOKO in der Staatsduma, welche außerparlamentarisch nie zustande gekommen wäre. E. Schneider weist auf diese Tatsache hin und sagt: „Bei der Besetzung der Posten der Komiteevorsitzenden haben zu einiger Verwunderung die KPRF- und die Jabloko-, sowie die NDR (UHR, Anm. des Verf.)- und die LDPR-Fraktion zusammengearbeitet“.

Diese Aussage lässt drei Interpretationen zu. Die erste besteht darin, der KPRF eine andere Zusammenarbeitsbereitschaft innerhalb, als außerhalb der Staatsduma zu unterstellen und somit einen gewissen parlamentarischen Pragmatismus. Als zweite Interpretation könnte die Zusammenarbeit als Indiz für die `konstruktive Opposition´ gesehen werden und als dritte Interpretation könnte die Zusammenarbeit der UHR- mit der LDPR-Fraktion die Unterstützung der LDPR für die Regierung aufdecken, denn die UHR galt als PdM. Als Aussage muss festgehalten werden, dass der KPRF trotz eines `Programm-Mixes´ keine allumfassende Unterstützung zuteil wurde. Die KPRF setzte sich selbst Grenzen. Diese selbst gesetzten Grenzen schärften auf der einen Seite das politische Profil, was einer Aussage A. Ignatows widerspricht, der sagt: „[…], die (die KPRF, Anm. d. Verf.) ihre frühere `monolithische´ Idee verloren hat, an ihre Wirksamkeit nicht mehr glaubt, aber unfähig ist, etwas anders zu schaffen, und impulsiv und unüberlegt zu allem greift, was sie bei der Hand hat.“ Auf der anderen Seite vermochte es die KPRF aber nicht, ein großes, über die Grenzen des `Volkspatriotischen Blockes´ hinausgehendes Bündnis zu Gunsten der KPRF zu schmieden. Somit war die Wirkung ambivalent und bedeutete, bezogen auf die Präsidentschaftswahlen 1996 einen möglichen taktischen Fehler, denn hier konnte die KPRF neben der APR und den Linkskommunisten kaum politische Mitstreiter auf Zeit gewinnen. So kann das fehlende Mobilisierungspotential von Wählern außerhalb der KPRF-Stammwählerschaft, das durch unzureichende Anreizpotentiale verursacht wurde, als eine der Ursachen des Scheiterns G. A. Sjuganows bei den Wahlen 1996 interpretiert werden.

An diesem Punkt lässt sich noch ein weiterer Einflussfaktor anknüpfen, welchen R. Sakwa anspricht: „A communist-dominated Duma was one thing, balanced by a reformist president, but a communist president as well would have destroyed the de facto political separation of power.“ Dies bedeutet, dass eine kommunistisch dominierte Staatsduma als Ausdruck des politischen Protestes durch die Wähler durchaus gewollt war. Ziel war es hierbei, dem Präsidenten ein, wenn auch geringes Gegengewicht entgegenzusetzen. Eine Akkumulation kommunistischer Macht in Form eines allmächtigen Präsidenten und einer kommunistisch dominierten Staatduma wäre auch dem Wahlvolk zu viel an Opposition gegenüber den damaligen Verhältnissen. Somit waren die Wahlerfolge der KPRF auf der Ebene der Parlamente nicht immer ein Vorteil für G. A. Sjuganow als Kandidaten bei der Wahl zum Präsidenten der RF."