Gesundheitsreform 2007 - Nach der Reform ist vor der Reform

von: Wolfgang Schroeder, Robert Paquet

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN: 9783531917863 , 337 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 39,99 EUR

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Gesundheitsreform 2007 - Nach der Reform ist vor der Reform


 

"Herausforderungen für die Leistungserbringer: Von Kollektiv- zu Einzelverträgen (S. 147-148)

Herausforderungen für die Leistungserbringer

Robert Paquet

Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) verändert die Handlungsmöglichkeiten und Machtpositionen der Leistungserbringer insgesamt erheblich und bestimmt das Verhältnis zwischen den Krankenkassen und ihren Vertragspartnern neu (vgl. auch Einleitung zum Kapitel „Kassen""). Das gilt jedoch für die verschiedenen Leistungserbringergruppen in unterschiedlichem Ausmaß und muß daher differenziert betrachtet werden. Grundsätzlich wurden zwar die Vertragsrechte der einzelnen Krankenkassen gestärkt (wodurch zugleich die Rolle der Kassenverbände geschwächt wurde).

Dabei wurde jedoch der gesamte stationäre Sektor im GKV-WSG überhaupt nicht berührt. Die zentralen Regelungen bzw. Veränderungen betreffen die niedergelassenen Ärzte. Die einzelvertraglichen Rabattverträge im Bereich der Arzneimittel wurden von der Großen Koalition allerdings schon vor dem GKVWSG im Rahmen des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) eingeführt, entsprechen aber der konzeptionellen Weichenstellung des GKVWSG, die dort z.B. durch die Einführung einzelvertraglicher Ausschreibungen bei den Hilfsmitteln (§ 127 Sozialgesetzbuch (SGB V) ) eine weitere Bestätigung erfahren hat.

1 Niedergelassene Ärzte – Vertragssituation im Umbruch

Durch das GKV-WSG wird der einzelvertragliche Wettbewerb in den Kernbereich der ambulanten medizinischen Versorgung hineingetragen. Zwar gab es bis dahin schon durch die Möglichkeiten der Disease-Management-Projekte (DMP), der Integrationsversorgung und früher bereits der so genannten „Strukturverträge"" einzelvertragliche Möglichkeiten, die jedoch immer nur eine Nebenrolle gespielt haben und zum größten Teil auch von den etablierten Organisationen, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), umgesetzt worden sind.

Der qualitativ neue Schritt des GKV-WSG liegt in der Verpflichtung für alle Kassen, ihren Versicherten (einzelvertraglich vereinbarte) Hausarztmodelle anzubieten (§ 73 b SGB V) und in der generellen Möglichkeit, die ambulante ärztliche Versorgung, unabhängig von den KVen, in freien Verträgen mit Ärzten und ihren Gruppierungen zu vereinbaren (§ 73 c SGB V). Durch diese Regelungen haben einerseits die (einzelnen) Krankenkassen, unabhängig von ihren bisherigen (kassenartenbezogenen) Verbänden, Macht und Handlungsmöglichkeiten gewonnen.

Welche (gegebenenfalls neuen) Gruppierungen und Koalitionen sich dabei auf dieser Seite der Vertragspartner entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Einfluß und Handlungsmacht gewonnen haben aber auch die einzelnen Ärzte bzw. ihre Gruppierungen, so weit sie konzeptionell und organisatorisch – unabhängig von den KVen – handlungsfähig sind. Das gilt zur Zeit insbesondere für die Hausarztverbände und die so genannten „MEDIVerbünde"".

Andere Gruppierungen müssen sich erst noch so weit institutionalisieren, dass sie Vertragskonzepte vorlegen und als Vertragspartner glaubwürdig und abschlußfähig sind. Eindeutige Verlierer der aktuellen Reform sind die KVen, an denen außerdem das unangenehme „Geschäft"" hängenbleibt, die Finanzierung der mit anderen Vertragspartnern geschlossenen Einzelverträge aus dem System der kassenärztlichen Gesamtvergütung herauszurechnen. Das Vertragsmonopol der KVen ist damit gebrochen, der „Sicherstellungsauftrag"" für die flächendeckende ambulante ärztliche Versorgung hat einen wesentlichen Schock erlitten.

Was jahrzehntelang völlig unumstritten war, ist nun offen in Frage gestellt. Obwohl der Unmut über die KVen, auch bei ihren eigenen Mitgliedern, in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist, konnte sich doch niemand so richtig vorstellen, wie man ohne diese Organisationen auskommen könnte. Seit dem GKV-WSG wird – gerade bei den niedergelassenen Ärzten – darüber offen diskutiert. Dass die CDU/ CSU im GKV-WSG noch verankert hat, dass auch die KVen nach § 73 b Abs. 4 als Vertragspartner für die „hausarztzentrierte Versorgung"" auftreten dürfen, hat dabei nur den Stellenwert eines Rückzugsgefechts. "