Mudras - Geheimsprache der Yogis

von: Ingrid Ramm-Bonwitt

Heyne, 2009

ISBN: 9783641014490 , 338 Seiten

Format: ePUB, OL

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Mudras - Geheimsprache der Yogis


 

Kapitel 5 Mudras des Hatha-Yoga (S. 235-236)

Im Hatha-Yoga, dessen Wurzeln im Tantrismus liegen, bezeichnet das Wort Mudra sowohl Hand- als auch Körperstellungen. Die Gheranda-Samhita, die den Hatha-Yoga behandelt, beschreibt 25 Mudras, die nicht nur positiv auf Körper und Geist einwirken, sondern auch spirituelle Kräfte erwecken. Die Mudras sensibilisieren den Übenden, die Botschaften seines Körpers intensiver wahrzunehmen und mit seinem Körper zu kommunizieren.

Führt der Yogi eine Mudra aus, so lässt er sein Bewusstsein alle Fasern seines Körpers durchziehen und gibt sich den subtilen Kräften hin, die ihn durchlaufen. Durch die Verwendung der Mudras und der Bhandas (Kontraktionen) vermag man auch den Atem und die Muskeln sowie die Nerven der Genitalgegend zu beherrschen. Die Kontrolle des Atems (Pranayama) und der Genitalgegend bewirkt einen Stillstand der störenden Gedanken, ein »Unbeweglichmachen« der Bewusstseinszustände. Der Hatha-Yogi, der diese Technik beherrscht, wird nicht mehr durch die rastlosen Tätigkeiten seines Geistes gestört, sondern befindet sich in einem Zustand tiefer Konzentration und erlebt vollkommene Ruhe und Frieden.

Einige tantrische Schulen haben die Mudras mit sexuellen Praktiken kombiniert, um den Aufstieg der Kundalini zu beschleunigen. Kundalini ist die wie eine Schlange zusammengerollte Urkraft, die sich am Ende des Kanals, der in der Wirbelsäule liegt, befindet. Mithilfe bestimmter Mudras steigt sie empor in das oberste Chakra (Abbildung der Chakras Seite 271), zum Zentrum des reinen Lichts. Der Weg der Kundalini soll zur großen Erfahrung der Freiheit führen, die in der Vereinigung der Gegensätze und damit in ihrer Aufhebung liegt.

Die Wurzeln des Hatha-Yoga im Tantrismus

Der Name Hatha weist auf die tantrische Lehre hin, auf der der Hatha-Yoga aufgebaut ist. Im Tantrismus symbolisiert »Ha« die positive Energie, die Sonne, und »Tha« die negative, den Mond. Hatha ist somit Ausdruck für das Gleichgewicht zwischen positiven und negativen Strömungen im Menschen. Die Einheit von Sonne und Mond entspricht der Verschmelzung von Shiva und Shakti. Diese Dialektik der Gegensätze ist das Lieblingsthema der Tantriker, die auf die Vereinigung der Gegensätze zielen und damit die Rückkehr zur ursprünglichen Einheit wiederfinden.

Die Verbindung der Gegensätze wird in den tantrischen Texten als Maithuna (Vereinigung) bezeichnet. Diese Vereinigung, die traditionsgemäß von einem Guru vorbereitet wurde, vollzieht sich heute meist durch Sublimierung auf geistiger Ebene und wird durch entsprechende Götterpaare oder Symbole dargestellt. Überall in der hinduistischen Kunst Indiens und in der buddhistischen Kunst besonders Tibets und Nepals findet man das zur mystischen Einheit verbundene göttliche Paar.

Der Tantrismus unterscheidet ein rechtshändiges und ein linkshändiges Tantra. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen besteht hauptsächlich in ihrer Haltung zur Sexualität. Während das rechtshändige Tantra auf rein geistiger Ebene mithilfe von Symbolen praktiziert wird, wird das linkshändige real durchgeführt. Durch die sexuelle Vereinigung im linkshändigen Tantra verwandelt sich das menschliche Paar in ein göttliches. Im Hinduismus liegt die ganze Aktivität aufseiten der Shakti, der Liebenden, während der Gott völlig unbeweglich bleibt. Die Vorstellung, dass das Männliche mit dem Passiven gleichgesetzt wird, ist in dem Gedanken zum Ausdruck gekommen, Shiva sei die Matratze der Göttin oder ihr Fußschemel.