Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte

Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte

von: Thomas Meerpohl

Herbert Utz Verlag , 2008

ISBN: 9783831607693 , 357 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 42,99 EUR

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Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Das Sanktionsregime gegen die Taliban und Al-Qaida vor dem Hintergrund des Rechts der VN und der Menschenrechte


 

TEIL II
HINTERGRÜNDE UND METHODEN (S. 15-20)

In diesem Teil wird ein Überblick über die Hintergründe der völkerrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gegeben. Außerdem werden die wesentlichen Methoden, insbesondere die Grundsätze der völkerrechtlichen Auslegung, dargestellt.

A. Die tatsächlichen Hintergründe: Der Fall dreier schwedischer Staatsbürger

Die schwedischen Staatsbürger Abdirisak Aden, Abdulaziz Ali Abdi und Ahmed Ali Yusuf, sowie der nach schwedischem Recht eingetragene Verein Barakaat International Foundation, wurden am 9. November 2001 durch einen Unterausschuss des Sicherheitsrates - das Al-Qaida and Taliban Sanctions Committee - auf eine „schwarze Liste“ aufgenommen. Auf dieser Liste werden Personen und Einrichtungen geführt, die - nach Auffassung des Sanktionsausschusses - mit den Taliban oder der Organisation Al-Qaida in Verbindung stehen. Im Zuge des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus wurde durch den Sicherheitsrat ein Sanktionsregime geschaffen, das unmittelbar gegen die Finanzströme der internationalen Terrororganisation Al-Qaida vorgehen soll. Die öffentlich zugängliche schwarze Liste bestimmt rechtsverbindlich, gegen wen die Finanzsanktionen des Sicherheitsrates umzusetzen sind. Diejenigen Personen, die auf dieser schwarzen Liste geführt werden, sind als potentielle Unterstützer Al- Qaidas identifiziert, und alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen36 sind verpflichtet, die Konten der auf der Liste geführten Personen zu sperren, deren Finanzen einzufrieren und keine Auszahlungen mehr an diese Personen zu tätigen. Diese Verpflichtung wurde im europäischen Rechtsraum durch eine unmittelbar wirkende europäische Verordnung umgesetzt, so dass den Herren Aden, Abdi und Yusuf ab dem 12. November 2001 keinerlei finanzielle Transaktionen mehr möglich waren.

In dieser Situation wandten sich die schwedischen Staatsbürger somalischer Herkunft am 10. Dezember 2001 mit einer Individualnichtigkeitsklage an das Europäische Gericht Erster Instanz, da ein unmittelbarer nationaler Rechtsweg nicht eröffnet war. Die Kläger machten geltend, „dass der Rat und die Kommission bei der Umsetzung der Sanktionen des Sicherheitsrates die Gründe, aus denen der Sanktionsausschuss sie auf die Liste aufgenommen habe, nicht nachgeprüft habe. Ferner sei ihnen keine Gelegenheit gegeben worden, von den Angaben, die der Entscheidung, sie auf die Liste aufzunehmen zugrunde lägen, Kenntnis zu nehmen und diese zu widerlegen. Ihnen seien somit schwere Sanktionen auferlegt worden, ohne dass sie sich hiergegen verteidigen konnten. Hierdurch seien elementare Rechtsgrundsätze betreffend eines fairen Verfahrens und rechtmäßigen Beweises verletzt worden.“

Ein Antrag der Kläger vom 8. März 2002 im einstweiligen Rechtsschutz, den Vollzug der umsetzenden EG Verordnungen auszusetzen, wurde am 7. Mai 2002 durch einen Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz zurückgewiesen. Im Wesentlichen mit der Begründung, dass es an der im einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Dringlichkeit fehle, da den Klägern das Existenzminimum im Wege der Sozialhilfe ausgezahlt wurde und den Klägern somit kein schwerwiegender, nicht wieder gutzumachender Schaden bevorstehe. Die hierzu parallelen politischen Bemühungen der schwedischen Regierung, die Streichung ihrer Staatsbürger von der schwarzen Liste auf diplomatischem Wege zu erreichen, waren hingegen teilweise erfolgreich: Zum einen konnte erreicht werden, dass die Prozessordnung des Sanktionsausschusses dahingehend erweitert wurde, ein Verfahren zur Streichung (De-listing) von Personen einzuführen. Zum anderen wurden tatsächlich zwei der betroffenen Schweden, die Herren Aden und Abdi auf Antrag der schwedischen Regierung von der Liste gestrichen, so dass deren anhängige Verfahren beim Gericht Erster Instanz für erledigt erklärt wurden. Das Hauptsacheverfahren - jetzt nur noch hinsichtlich der Kläger Yusuf und Al Barakaat International Foundation - wurde nach einer Verfahrensdauer von über drei Jahren durch das Urteil des Gerichts Erster Instanz vom 21. September 200549 als unbegründet zurückgewiesen. Im Wesentlichen wurde der Urteilsspruch damit begründet, dass die Einschätzung des Sicherheitsrates, dass der internationale Terrorismus in Form der auf der Liste geführten Personen eine Bedrohung des Weltfriedens darstelle, eine politische und nur eingeschränkt justiziable Entscheidung begründe, die auch vor den menschenrechtlichen Rechtspositionen - etwa dem Recht auf Eigentum oder dem Recht auf rechtliches Gehör - Vorrang genieße.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Yusuf das Rechtsmittel der Berufung zum EuGH eingelegt. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in zweiter Instanz steht aus und wird zum Ende des Jahres 2007 erwartet.