Ende des rot-grünen Projekts - Eine Bilanz der Regierung Schröder 2002 - 2005

von: Christoph Egle, Reimut Zohlnhöfer

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2007

ISBN: 9783531903026 , 540 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,96 EUR

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Ende des rot-grünen Projekts - Eine Bilanz der Regierung Schröder 2002 - 2005


 

Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die 15. Legislaturperiode (S. 11)

Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die 15. Legislaturperiode

Der Wahlsieg der rot-grünen Koalition bei der Bundestagswahl am 22. September 2002 hatte viele Beobachter überrascht. Angesichts der Umfrageergebnisse war lange Zeit ein Sieg eines christlich-liberalen Bündnisses erwartet worden, während es SPD und Grünen erst in den letzten Wahlkampfwochen – nicht zuletzt begünstigt durch die Elbeflut und die Sorge um einen möglichen Krieg im Irak – gelungen war, die Stimmung noch zu wenden und einen knappen Sieg davon zu tragen (vgl. Roth 2003).

Die Mandatsmehrheit der Koalition war allerdings noch knapper ausgefallen als 1998: Hatte die rot-grüne Regierung 1998 noch 21 Mandate Vorsprung vor den Oppositionsparteien (345 zu 324), lag sie 2002 – auch wegen der Verkleinerung des Bundestags – nur noch mit neun Stimmen vorn (306 zu 297).

Das bedeutete, dass schon fünf Gegenstimmen aus der Koalition genügen würden, der Regierung die Mehrheit im Bundestag zu verweigern. Doch was würde die rot-grüne Koalition mit ihrer wieder gewonnenen Regierungsmacht anfangen? In dieser Einleitung werden die Geschicke der zweiten rot-grünen Regierung knapp und überblicksartig in vier Phasen dargestellt.

1 Fehlstart: Konzeptionslosigkeit und Kakophonie

Schon für die erste Legislaturperiode von Rot-Grün haben wir konstatiert, dass die Konstellation vor allem für die Grünen ein „Projekt war, während die SPD darin lediglich eine Option neben anderen sah (Egle et al. 2003: 12). Soweit Rot- Grün überhaupt ein Projekt war, dürfte es im Wesentlichen in einer ökologischen Modernisierung der Ökonomie und einer postmaterialistischen Gesellschaftspolitik bestanden haben.

Vieles aus diesem Programm war in der ersten rot-grünen Wahlperiode bereits abgearbeitet worden, auch der Wahlkampf 2002 hatte nur begrenzt deutlich gemacht, was von einer zweiten rot-grünen Regierung zu erwarten sein würde. Entsprechend war 2002 ein großer Unterschied zu Wahlsieg und Regierungsbildung vier Jahre zuvor spürbar, nicht zuletzt symbolisch: „Vor vier Jahren, bei der Unterschrift des ersten Koalitionsvertrages, gab es Sonnen- blumen, rote Nelken, viel Sekt und verheißungsvolle Reden. Diesmal gibt es Mineralwasser, keine Fragen, keine Antworten (Geyer et al. 2005: 230), so kommentierten der Regierung prinzipiell wohl gesonnene Journalisten des „Spiegel.

Weder der Koalitionsvertrag noch die erste Regierungserklärung am 29. Oktober 2002 vermittelten Aufbrauchstimmung: „Es ist die erste Regierungserklärung nach der Wahl, Rot-Grün stellt sich vor zur zweiten Runde, aber es sieht so aus, als habe nicht einmal die Regierung selbst Lust darauf (Geyer et al. 2005: 231).

Das Ausbleiben einer Aufbruchstimmung dürfte mit dem Fehlen eines gemeinsamen Projektes zu tun gehabt haben, mit dem die Wähler hätten überzeugt werden können. Franz Walter hatte bereits Anfang 2003 attestiert, „dass Rot- Grün früher als jede andere Regierungsallianz zuvor nicht mehr wusste, was sie eigentlich wollte. (…) Seit etwa zweieinhalb Jahren ist Rot-Grün ohne politische Plattform, und Perspektive – ja: „Rot-Grün ist in gewisser Weise das sinn- und begründungsloseste Regierungsbündnis seit Bestehen der Bundesrepublik (Walter 2005: 109f.).

Auch wenn diese Einschätzung übertrieben erscheint bzw. im Kontext überhöhter Erwartungen zu verstehen ist, bleibt der rasante Verlust Rot- Grüns als Versinnbildlichung eines zukunftsgerichteten Reformprojektes erklärungsbedürftig.