Der sterbende Kaiser - Karl May´s Gesammelte Werke Band 55

von: Karl May

Karl-May-Verlag, 1951

ISBN: 9783780217554 , 415 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Der sterbende Kaiser - Karl May´s Gesammelte Werke Band 55


 

"10. Dem Kerker entronnen (S. 206-207)

Hilario sonnte sich in der Überzeugung, dass sein mörderischer Anschlag geglückt sei. Er ahnte nicht, dass er einen gefährlichen Verfolger hinter sich hatte, und stieg, von dem Ergebnis seines weiten Rittes befriedigt, vor dem Klostertor ab, als das Abenddunkel hereinbrach. Dass er sich eines fremden Pferdes bemächtigt hatte, machte ihm keine Sorge.

Es gab hundert Ausreden dafür. Da er einige Tage länger geblieben war, als er vorher bestimmt hatte, so war er von seinem Neffen mit Ungeduld erwartet worden. „Endlich!“, rief dieser, als er zu ihm ins Zimmer trat. „So sag mir doch um aller Welt willen, wo du so lange bleibst!“ „Hm, ich konnte nicht wissen, dass ich drei Nächte um die Hacienda schleichen musste, bevor ich etwas erreichte.“ „Wie ging es?“ Hilario erzählte, was er getan hatte. Der Neffe war an Mord gewöhnt, aber er schüttelte sich doch. „Brrr!“, sagte er. „Das ist fürchterlich!“ „Warum?“, warf der Alte gleichmütig hin. „Jeder Mensch muss sterben! Diese Leute haben den schönsten Tod, den es geben kann. Sie legen sich hin und schlafen schmerzlos ein.“ „Bist du auch sicher, dass keiner übrig bleibt?“

„Von der Familie keiner!“ „Und die anderen, die um das Geheimnis wissen, haben wir ja unten in den Kellern.“ „Einige noch nicht. Wir bekommen sie aber auch. Die Gelegenheit dazu wird sich mir in Mexico bieten.“ „Wann wirst du abreisen?“ „Sogleich, nachdem ich gegessen habe.“ Der Neffe zog ein erstauntes Gesicht. „Sogleich? Bist du denn nicht müde?“ „Außerordentlich. Aber ich habe drei Tage verloren. Ich muss fort. Reiten kann ich nicht. Ich würde vor Müdigkeit vom Pferd fallen.“

„So nimmst du wohl die alte Klosterkutsche?“ „Ja. Mach sie bereit und spanne vor dem hinteren Tor an! Es braucht nicht jeder zu wissen, dass ich sofort wieder verreise.“ Hilario aß, kleidete sich um und gab dann dem Neffen die Verhaltensmaßregeln, die er für nötig hielt. Darüber vergingen doch noch einige Stunden und dann fuhr er heimlich ab. Sein Neffe horchte dem Wagen nach, solange er seine Räder knarren hören konnte. Hierauf begab er sich in die Stube des Onkels zurück, um sich die Schlüssel zu holen, da er die geheimnisvollen Gefangenen bedienen musste. Auf dem Weg zum Studierzimmer des Alten musste er durch den vorderen Hof.

Das Tor stand noch offen. Soeben trat ein Mann herein, der auf ihn zukam. Es war der kleine, dicke Verschwörer, der mit verschmitztem Lächeln herbeischlich. „Ist Doktor Hilario zu Haus?“, fragte er. „Nein. Ah, Señor Arrastro, Ihr seid es?“ „Ja, Manfredo. Dein Oheim ist fort? Wann?“ „Soeben.“ „Caramba! Warum so spät?“ „Er konnte nicht eher, doch meinte er, dass er noch zur rechten Zeit kommen werde“, entgegnete der Vertraute Hilarios beschwichtigend. „Das mag sein. Kannst du in seine Zimmer?“ „Ja, ich wohne ja dort, wenn er verreist ist.“ „Lass uns hingehen, aber so, dass uns niemand sieht! Ich habe Wichtiges mit dir zu reden.“ –"