Manual Maligne Ovarialtumoren - Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge

Manual Maligne Ovarialtumoren - Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge

von: Barbara Schmalfeldt (Hrsg.)

W. Zuckschwerdt Verlag, 2010

ISBN: 9783886039838 , 133 Seiten

9. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 16,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Manual Maligne Ovarialtumoren - Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge


 

Keimstrangstromatumoren, maligne Keimzelltumoren und maligne Müller-Mischtumoren (S. 74-75)

C. Anthuber, P. Dettmar, J. Engel, S. Keim, D. Mayr, E. Oberlechner, J. Reif, K. Seck

Keimstrangstromatumoren

2–8 % aller malignen Ovarialtumoren sind Keimstrangstromatumoren. Diese heterogene Gruppe entsteht aus den nicht germinativen Zellen des Ovars, also Abkömmlingen des gonadalen Mesenchyms, den Theka- und Leydig-Zellen und Fibroblasten oder Abkömmlingen der Keimstränge, den Sertoli- und Granulosazellen. Diese Tumoren produzieren mit Ausnahme der Fibrome Östrogene. Auch eine Androgenproduktion ist möglich, diese werden meist peripher in Östrogene umgewandelt. Die Tumoren werden im Gegensatz zum Ovarialkarzinom meist früh diagnostiziert, das maligne Potenzial ist gering und die Langzeitprognose günstig.

Granulosazelltumoren

Etwa 70 % der Keimstrangstromatumoren sind Granulosazelltumoren, sie enthalten nur ovarielle Zelltypen. Sertoli-Zelltumoren enthalten hingegen nur Zellen vom testikulären Typ. Sind Zelltypen aus weiblichen und männlichen Gonaden vorhanden, spricht man von Gynandroblastomen. Man unterscheidet beim Granulosazelltumor aufgrund histopathologischer Kriterien und dem Zeitpunkt des Auftretens den juvenilen (5 %) und adulten (95 %) Typ.

Der adulte Typ tritt v. a. im mittleren und höheren Lebensabschnitt auf (mittleres Erkrankungsalter 50–54 Jahre), der juvenile Typ bei Kindern oder jungen Frauen [1]. Letzterer ist gekennzeichnet durch eine höhere Proliferationsrate und eine geringere Neigung zu späten Rezidiven. Die Daten im Einzugsgebiet des Tumorregisters München sind mit der internationalen Literatur vergleichbar. Der Altersmittelwert bei Erkrankung liegt bei 54 Jahren, der Anteil der Granulosazelltumoren liegt mit 95 % allerdings etwas höher [2].

Epidemiologie

Die Inzidenz der Granulosazelltumoren wird mit 0,4–1,7/100 000 angegeben. Nach Boyce et al. sind Adipositas und die dadurch bedingte Hyperöstrogenisierung, eine positive Familienanamnese für ein Ovarial- oder Mammakarzinom risikosteigernd, die Einnahme von Kontrazeptiva, Rauchen und Multiparität risikomindernd für die Tumorentstehung [3].

Symptomatik und Diagnostik


Die tumorbedingte Estradiolproduktion kann zu Zeichen der Pseudopubertas präcox, sekundärer Amenorrhö, Infertilität, Brustvergrößerung, Galaktorrhö und zu einer Überstimulation des Endometriums führen. Mögliche Folge sind eine Endometriumhyperplasie, in 10–15 % auch ein Endometriumkarzinom [4]. Bei Androgensekretion sind Virilisierungserscheinungen möglich. Bei endokrinen Funktionsstörungen ist daher immer ein Granulosazelltumor (durch MRT auch ein Nebennierentumor) auszuschließen, insbesondere weil eine verspätete Diagnose die Prognose verschlechtert [5].

Auch chronische oder akute Unterbauchschmerzen sind häufig. Sie können durch die Tumorgröße, eine Adnextorsion oder eine hämorrhagische Ruptur bedingt sein und den Symptomen einer Extrauteringravidität ähneln. Klinisch auffällig sind meist große, sonografisch inhomogene, echoreiche, solide oder zystisch-septierte Tumoren. Gelegentlich kann die histopathologische Abgrenzung zum kleinzelligen Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ schwierig sein. Die diagnostische Genauigkeit beim Nachweis von Keimstrangstromatumoren könnte in Zukunft durch den Nachweis von Mutationen im FOXL2-Gen erhöht werden.

Shah et al. konnten bei 97 % aller adulten Granulosazelltumoren eine somatische Punktmutation in diesem Gen nachweisen, hingegen nur bei 10 % des juvenilen Typs und 21 % der Thekome. In anderen Keimstrangstromatumoren und anderen Typen von Ovarialmalignomen war diese Mutation nicht nachweisbar [6, 7]. Granulosazelltumoren sind gelegentlich mit dem vererbten Peutz-Jeghers-Syndrom und der multiplen Enchondromatose assoziiert.

Tumormarker Granulosazelltumoren sezernieren meist Estradiol, selten Androgene. Die Bestimmung dieser Hormone kann insbesondere bei den Nachsorgeuntersuchungen hilfreich sein. Die von den Ovarien produzierten Isoformen A und B des Polypeptids Inhibin gelten als zuverlässigere Tumormarker, zuletzt wurde die Isoform B als besonders repräsentativ für den Krankheitsstatus und geeignet für die Nachsorge eingestuft [8]. Auch die in den Granulosazellen des heranwachsenden Follikels produzierte sehr spezifische „Mullerian Inihibiting Substance“ (MIS) korreliert nach einer kürzlich publizierten Studie mit der Tumorlast [9–11].