Lesen im Wandel der Multimediageneration - Einflüsse des Internets auf Leseverhalten und Lesekompetenz

Lesen im Wandel der Multimediageneration - Einflüsse des Internets auf Leseverhalten und Lesekompetenz

von: Maike Alberti

VDM Verlag Dr. Mueller e.K., 2007

ISBN: 9783836415118 , 145 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 39,00 EUR

Mehr zum Inhalt

Lesen im Wandel der Multimediageneration - Einflüsse des Internets auf Leseverhalten und Lesekompetenz


 

3. Lesekompetenz in der heutigen Gesellschaft (S. 26-27)

3.1 Ein Konstrukt auf dem Prüfstand

Das vorangegangene Kapitel hat bereits im Überblick gezeigt, dass das Lesen in Abhängigkeit zu unterschiedlichen medialen Nutzungsmustern eine mehr oder minder konstitutive Rolle spielt. Dementsprechend wurde auch deutlich, dass sich die Fragestellung vom quantitativen Aspekt des Lesens z.T. auf den Qualitativen verlagert, d.h. auf die Frage ob sich die Art bzw. Qualität des Lesens in Interaktion mit den anderen Medien verändert (hat). Genau dies ist auch die Frage der Lesekompetenz in der Multimediageneration. Dabei setzt jedoch die Beantwortung dieser Frage- und Problemstellungen einen brauchbaren Begriff von „Lesekompetenz" voraus.

Das Kriterium der Brauchbarkeit verdeutlicht dabei, dass es nicht nur darum gehen kann, eine theoretisch möglichst differenzierte Konstruktexplikation vorzunehmen. Vorausgehend müssen auch die empirischen Bedingungen des medialen Wandels im zwanzigsten Jahrhundert mitberücksichtigt werden, um ein Konzept von „Lesekompetenz" entwerfen zu können, das auch für die empirische Forschung über die Relation zwischen Lesen und der Rezeption anderer Medien geeignet ist. Schließlich hat es seit Jahren Konjunktur von Lesekompetenz vor allem in Verbindung mit „Medienkompetenz" zu sprechen.

Generell kann dabei gesagt werden, dass beim Kompositum „Lesekompetenz" das „Lesen" das geringere Problem darstellt (siehe Punkt 2.1). Vielmehr thematisiert der Kompetenzbegriff neben basalen, speziellen situations- und aufgabenorientierten Fertigkeiten der Kulturtechnik Lesen auch komplexere Fähigkeiten der Bedeutungskonstitution, die auch bestimmte Qualitätsstandards zu erfüllen in der Lage sind. Dies impliziert, dass der Kompetenz-Begriff mit normativen Präskriptionen verbunden ist und ein „morales" Konzept darstellt, das auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau angesiedelt ist. Bei Kompetenzen handelt es sich um ein individuelles Potenzial dessen, was eine Person unter idealen Umständen zu leisten im Stande ist, wobei sich dieses Potenzial in konkreten Situationen als spezifisches Verhalten bzw. Handeln manifestiert. Das Konstrukt der Lesekompetenz umfasst sowohl das im Gegenstandsbereich Lesen relevante aufgabenorientierte Fertigkeits- als auch das übersituative, generelle Fähigkeitsniveau im Sinne einer (relativ) zeitüberdauernden Handlungsdisposition. Allein durch diese Unterscheidung entwickelt das Konzept eine gewisse Multidimensionalität, weshalb man nicht von einem dichotomen Merkmal sprechen kann.

Aus diesem Grund sind zur Beschreibung der zentralen Dimensionen oder Teilkomponenten dieses wertenden Kompetenzkonstrukts die Bestimmung der wichtigsten Einflussfaktoren auf seine Ausprägung und den Erwerb sowie die historisch-normativen Implikationen entscheidend. Erst so können qualitative Veränderungen und Funktionsverschiebungen des Lesens beschrieben und bewertet werden. Aus Interaktionsperspektive bedeutet dies außerdem, dass Kompetenz als Charakteristikum einer Person in einem (situationalen) Kontext gesehen wird, d.h., dass sich die Kompetenz ändert, wenn sich der Kontext ändert. (vgl. dazu näher Punkt 3.3.2 zur kulturwissenschaftlichen Lesekompetenzdefinition).

Zum Kontext gehören dabei unter anderem neben den Mediencharakteristika auch die Textformen selbst, die letztendlich das Niveau der Lesekompetenz mitbestimmen. Aus dem medialen Wandel heraus ist man deshalb auch davon abgewichen von der literarischen Leseform auszugehen, die über lange Zeit den normativen Kern des Konstrukts „Lesekompetenz" darstellte. Heute verlagert sich dieser Schwerpunkt vor allem in Richtung auf das Informationslesen.86 Trotzdem bleibt Lesen unabhängig von der Art des gelesenen Textes ein konstruktiver Akt.